Einen Vulkanausbruch mitzuerleben ist ein einmaliges Erlebnis, was man sein ganzes Laben lang nicht mehr vergisst. Das stand auf meiner to do Liste für Island daher ganz oben. Neben „lustiges warten auf den Vulkan“ nehmen die erlebten Hindernisse in Island in diesem Bericht allerdings einen gewissen Raum ein. Island tut zwar so, als wäre es die Nummer #1 bei der Pressefreiheit, tatsächlich und rein praktisch haben jedoch nur inländische Reporter die Möglichkeit, ungefilterte Reportagen vor Ort zu machen.
Ich hatte mich vor Ort informiert, was abgesehen von einem Presseausweis für Reportagen notwendig ist. Das waren unter anderem: Tetra Funkgerät, Gas Sensor und eine Gasmaske. Eine durchaus sinnvolle Ausstattung, denn wenn in einem vulkanischen Gebiet der Wind dreht muss man sich selber schützen und im Notfall Hilfe holen können. Tetra Funkgeräte waren allerdings gerade ausverkauft, in ganz Island …
Was man in Vulkannähe benötigt und wer reindarf war aber irgendwie uneinheitlich geregelt und weder der SAR Island, noch diverse Sicherheitsteams oder die Polizei wussten es zunächst genau. Eine von der Polizei begleitetet Führung war mit Presseausweis allerdings möglich, um sich einen ersten Eindruck vom evakuierten Grindavik zu verschaffen.
Ein Bericht darüber ist hier: Geisterstadt Grindavik.
Ich war in den Tagen vor dem Vulkanausbruch viel mit Gylfi unterwegs, dem Youtuber.
Sein sehr sehenswerter Youtube Kanal mit rund 100.000 Followern ist hier: Just Islandic
Gylfi hat unglaublich viel Material über Island und seine Vulkane gesammelt. Später sollten sich seine Vorhersagen über das Ausbruchgebiet und die Reaktion der Einsatzkräfte vor Ort als bemerkenswert präzise erweisen !
Der Tag vom Vulkanausbruch, 29.05.2024
Ich war am Morgen vom 29 Mai zwar etwas ausserhalb von Reykjavik, aber in der Nähe. Whatsapp Nachricht von Gylfi: es wird ernst, der Vulkan ist kurz vor dem Ausbruch. Gylfi macht sich von Akureyri aus auf den Weg. Ich fahre zwar ebenfalls sofort los, komme aber trotzdem zu spät. Gylfis Plan A sah vor, auf dem Parkplatz der Blauen Lagune zu warten und direkt beim Ausbruch eine Drohne loszuschicken, bevor evakuiert wird. Ein Vorhaben mit Risiko und nicht meine erste Wahl, doch bereits auf der Autobahn sehe ich eine massive Rauchwolke über dem Gebiet. Wie in den Monaten zuvor ist eine Vulkanspalte aufgerissen und spuckt unter Druck stehende, glühende Lava über 50 Meter hoch in den Himmel.
Die gute Nachricht ist in dem Fall natürlich, dass die ganze Situation um einiges berechenbarer wird, sobald die Ausbruchstelle bekannt ist. Trotzdem ist das Gebiet aus Sicherheitsgründen komplett zunächst gesperrt – und zwar wirklich für alle.
Und natürlich aus einem richtig guten Grund: glühend Lava überflutet alles.
Mehr als 3 km Reichweite ist mit Hindernissen wie Bergen und Gebäuden mit einer Drohne aber kaum machbar. Und trotz Gegenwind zurück fliegen soll sie ja auch noch.
Später, im Verlauf des Tages wurde es dann allerdings unfair, wie ich finde. Die Bedingungen waren unter anderem, wie schon oben erwähnt: Gasmaske, Gas Sensor, Tetra Radio, gelbe Weste, Presseausweis. Das alles hatte ich. Plötzlich heisst es: und ausserdem eine Desaster Card. Was war das nun wieder ?
Diese Desaster Card ist ein spezielles Agreement zwischen der Polizei und der isländischen Presseorganisation press.is. Sie bekommen offiziell aber nur isländische Journalisten. Damit wird eine Berichterstattung nicht-isländischer Journalisten, Blogger usw unterbunden. In meinen Augen eine eindeutige Behinderung einer freien und fairen Berichterstattung. Später hab ich bei den organisierten Presse Touren reihenweise isländische Journalisten gesehen, die einfach nur mit klapprigem Auto, Strassenklamotten und Drohne unterwegs waren, ohne weitere Schutzausrüstung.
Wenn man sich kennt, geht es offenbar auch ohne.
Notwendige Schutzausrüstung beim Vulkan
Auf einen Gas Sensor kann man meiner Meinung nach verzichten: Schwefelgase riecht man sofort. Aber eine Gas Maske halte ich für den Fall, dass der Wind dreht für absolut erforderlich. Ich hab zum Beispiel zwei, drei originalverpackte von 3M vom Typ 4277+, die decken das gesamte Spektrum möglicher Emissionen ab, völlig egal was.
Gylfi wusste das alles schon. Obwohl er eine wertvolle und sorgfältige Dokumentation der Vulkanereignisse erstellt hat und Vollzeit als Youtuber arbeitet hat er sich gar nicht erst die Mühe gemacht, sich z.B. einen Presseausweis zu besorgen. Und alles andere auch nicht.
Ich bin jemand, der aus Deutschland kommt und Gesetze, die Menschen und den Naturschutz in Island ernsthaft respektiert. In Deutschland versuchen wir es zunächst mit 100% korrekt. Nicht Offroad fahren ist mir heilig. In die ganzen „Bezahlboxen des Vertrauens“ werfe ich brav Geld ein. Ich bin kein notorischer, zwanghafter Frei-steher. Ich komme auch nicht auf die Idee, um 23:00h auf den Campingplatz zu fahren – um früh morgens um 6:00 ohne etwas zu bezahlen wieder abzuhauen. Mit dem ganzen Kauf des Sicherheitsequipments habe ich erhebliche Kosten auf mich genommen, um ja alles Richtig zu machen.
Komplett Privat finanziert auch noch, das Blog ist werbefrei und hat keine Einnahmen. Jedoch: völlig umsonst, wie es schien.
Manchmal kommt man an einen Punkt wo man zum Beispiel am einer Grenze steht und der Zöllner will 100 Dollar. Das ist illegal. Aber entweder man bezahlt 100 Dollar oder es geht nicht weiter. Diese unfairen, nicht vorhersehbaren afrikanischen Verhältnisse sah ich inzwischen auch in Island erreicht, so dass Gylfi und ich auf Plan B umgeschaltet haben. Plan B: wir holen uns die Bilder einfach ! So wie die anderen auch.
Dafür hatte ich eine Route über ein Industriegelände ausbaldowert, die etwa beim Blue Lagoon Parkplatz endet. Mit einem Einstiegspunkt an einer abends abgeschlossener Schranke, aber auch dafür gab es eine Option. Wir haben uns dann einfach auf den Weg gemacht, um unsere Drohnen – nah genug am Geschehen, trotzdem aus sicherer Entfernung – endlich zu den Vulkanen fliegen zu lassen.
Wenn Du fragst ist die Antwort NEIN
Dann lieber: Fix rein, fix raus. Einer meiner Lieblingssprüche. So wie die Freibeuter aus „Bedenke Phlebas“ von Iain Banks. (Wikipedia)
Das SAR Team wollte wissen, wie wir überhaupt in das Gebiet reingekommen sind. Wir wollten wissen, wie sie uns gefunden haben. Alles Fragen, die unbeantwortet geblieben sind.
Eine zweite Town Tour in Grindavik – für Journalisten
Am nächsten Tag gab es erneut eine Führung für Journalisten und Blogger. Überrascht es irgend wen, wenn ich an dieser Stelle berichte, dass ich der einzige mit Gas Sensor und Gas Maske war ? Aber egal, die Leute waren super nett, kameradschaftlich und drohnentechnisch wirklich auf dem neuesten Stand. Und ich war froh, nochmal einen Blick nach Grindavik reinwerfen zu können.