Island ist reich an skurrilen Museen. Oder was wäre von einer Sammlung abgenutzer Bleistiftstummel zu halten, die ein absoluter Messie sorgsam aufgehoben hat ? In Bildudalur gibt es eine Ausstellung, die sich ganz den Seeungeheuern widmet und Menschen zu Wort kommen lässt, die tatsächlich eins gesehen haben – wollen. Dann wäre da noch das Penis Museum in Reyjavik – recht bekannt ist auch das Hexenmuseum in Holmavik.
Das alles darf man nicht allzu ernst nehmen und eine extra Anreise lohnt sich nur für Enthusiasten. Die Mischung aus Augenzwinkern, schrulligen Typen und nicht alltäglichen Sammlungen halte ich jedoch für typisch isländisch. Und unterhaltsam ! Für einen Abstecher an einem regnerischen Tag sind die hier genannten Museen allemal gut.
Abgesehen davon gibt es fast immer ein angedocktes Cafe. Wenn man Glück hat mit Waffeln oder sogar einer heissen Suppe.
Das Seeungeheuer Museum in Bildudalur
Gibt es Seeungeheuer ? Viele Menschen in den Westfjorden glauben daran und erzählen so glaubhaft davon, dass es einem kalt den Rücken hinunterläuft. Das Museum in Bildudalur ist liebevoll gestaltet, so gibt es einen Multimedia Tisch, an dem man Gruselgeschichten der Fjords recherchieren kann. Ausserdem viele gemütliche Sitzecken, von wo aus man in die Atmosphäre der Installation aus Seeungeheuer „Beweisen“ eintauchen kann.
Viele Reiseführer warnen davor, das Museum mit Kindern zu besuchen. Die Einschränkung sehe ich nicht, die Kids im Jahr 2022 sind vermutlich etwas abgehärteter als vor 20 Jahren.
Tatsächlich ist es so, dass unser Planet zu etwa 70% mit Wasser bedeckt ist. Das meisste davon gehört der Tiefsee an und die ist schlechter erforscht als der Mond. Tiefsee Expeditionen bringen regelmässig Wesen mit nach oben, die glatt von einem anderen Planeten stammen könnten. Erst seit 1995 ist bewiesen, dass Monsterwellen eben kein Seemannsgarn sind, sondern ganz real. Warum soll an den Seeungeheuern nicht auch etwas dran sein ?
Seemonstermuseum in Bildudalur, Westfjorde in der Nähe der 63. Webseite: skrimsli.is
Das Hexenmuseeum in Holmavik
Im Hexen und Magiemuseeum Holmavik geht es um alles übernatürliche. Obskure Blutzauber, Zeichen und Rituale sollen Unheil angerichtet oder verhindert haben. Das alles ist im Hexenmuseum ausgestellt. Zu sehen sind: eine Leichenhose, die Nachbildung gezüchtete Dämonen, Runenhölzer und Zauberbücher. Und es ist dokumentiert, wem die Hexenbräuche zum Verhängnis geworden sind.
Interessanterweise sind in Island vor allem Männer auf dem Scheiterhaufen gelandet. Oft nach sehr kurzem Prozess und zum Vorteil des Pfarrers, der die Vermögenswerte geerbt hat. Das Muster ist dabei immer ähnlich: nachdem im Dorf unerklärlicherweise Vieh krank wird oder das Wetter umschlägt, wird ein Schuldiger gesucht und der Hexerei verdächtigt. Ein paar irgendwo ins Holz geritzte Runen reichen als Beweis – schon wartet draussen der Scheiterhaufen, um das Problem mit dem kranken Vieh für zwei Wochen zu erledigen.
Die Exponate sind natürlich allesamt nachgemacht, denn die Beweise sind damals gleich mit verbrannt worden. Aber der stop-over lohnt sich und das Cafe hat leckere Suppen, ein paar einfache Gerichte und eine prima Kuchenauswahl.
Ich hab in dem Museum gelernt, dass sich seit 400 Jahren praktisch nichts verändert hat. Damals waren Erkrankungen oder plötzliche Unwetter unerklärlich. Wenn man behauptet, dass ein Mensch dafür verantwortlich ist, gibt man den leichtgläubigen Dorfbewohnern damit eine plausibel erscheinende Erklärung. Gegen etwas, was ein Mensch verursacht hat, kann man umgehend etwas unternehmen: Scheiterhaufen.
Üblicherweise trifft es eine im Dorf nicht besonders beliebte Person.
Interessanterweise funktioniert diese Masche im Jahr 2022 immer noch. Corona war als Erkrankung neu, beängstigend und unerklärlich. Die Corona Lügner haben unter anderem behauptet, Bill Gates wäre dafür mit Geheimlaboren verantwortlich. Wie anno damals wurde für ein unerklärliches Phänomen ein Mensch beschuldigt. Mit so einer Lüge wird den Menschen das Gefühl gegeben, etwas unternehmen zu können: Protest gegen eine bestimmte, wegen Reichtum nicht besonders beliebte Person als Schuldigem.
Nichts neues von den modernen Hexenjägern.
Hexenmuseum in Holmavik, Westfjorde an der 68, keine Webseite.
Das Museum der vielen Kleinigkeiten Smamunasafn Sverris Hermannssonar unterhalb von Akureyri
Sverris war in meinen Augen ein Messie vor dem Herrn, den er hat einfach alles aufgehoben und nie etwas weggeworfen. Bleistiftstummel, verbrauchte Plastikkugelschreiber, rostige Nägel, Türklinken, kaputte elektrische Geräte, Bretter, abgenutzte Werkzeuge, Küchenbesteck. Seiner Ansicht nach könnte man das ja vielleicht alles eines schönen Tages nochmal gebrauchen. Mit dieser Hinterlassenschaft müssen sich nun seine Erben herumschlagen. Dem Vernehmen nach ist im Museum nur ein sehr kleiner Teil seiner über Jahrzehnte hinweg angehäuften Schätze zu sehen.
Wenn man durch Island rollt bekommt man den Eindruck, das hier noch viel mehr Typen von Kaliber eines Sverris unterwegs sind. Überall stehen rostige Autowracks, halbe Trecker, unbrauchbare Trailer oder verschlissene Baumaschinen herum. Sogar ganze Flugzeuge und Schiffe. Aus denen könnte man ja – theoretisch – nochmal irgendwas ausbauen. Üblich ist hier, echt jeden Schrott irgendwo für spätere Zeiten zu parken. Um es im Grunde der Korrosion zu überlassen anstatt einem sinnvollen Recycling.
Daher dokumentiert das Museum etwas ganz typisch isländisches, finde ich. Und die Ausstellung ist durchaus sehenswert. Denn die Türklinken fliegen nicht einfach so herum, sondern sind fein säuberlich aufgehängt und poliert. In einem Schaukasten werden eben auch Bleistiftstummel zur Kunst, wenn man sie entsprechend präsentiert. Vieles Wertloses, was Sverris aufgehoben hat ist einfach nur durch die lange Zeit zur wertvollen Antiquität geworden.
Diesen Gedanken kann man noch in einem kleinen Museumskaffee mit Tee und leckeren Waffeln zu Ende denken.
Smamunasafn Sverris Hermannssonar, an der 821 unterhalb von Akureyri
Webseite: www.esveit.is/smamunasafnid
Etwas weiter nördlich ist ein Weihnachtszentrum. Dort in der Zentrale vom Weihnachtsmann ist immer Weihnachten. Nicht minder verrückt, falls man an dem Tag noch nicht genug gesehen hat.
Das Wahrsager Museum in Skagaströnd
Das Museum ist winzig, es besteht praktisch nur aus einem grossen, etwas unterteilten Raum. Nur ganz selten verirren sich Touristen hier her. Ich würde auf jeden Fall eine Führung buchen, denn sonst bleibt vieles unverständlich. Unverständlich für rational denkende Menschen, wohlgemerkt. Raben, Tarot, Glaskugeln, Kaffeesatz, Knochen … Lohnend könnte tatsächlich Tarot Karten ziehen (dazu unten mehr) oder Handlinien lesen sein. Die Wahrsagerin ist entweder im Museum oder nebenan in dem renovierten, antiken Holzhaus, was ebenfalls eine lohnende Besichtigung ist.
Ehrlich gesagt glaube ich nicht ans Übernatürliche und an den Hokuspokus mit Horoskopen auch nicht so Recht. Trotzdem kann eine geschickte Wahrsagerin ahnen, was mit einem los ist und eventuell richtungsweisende Lebensratschläge geben. Ein guter Freund von mir, Claus, ist darin sehr geschickt.
Davon abgesehen hab ich 2005 tatsächlich Mal eine echt komische Geschichte erlebt. Mein damaliger Kumpel Robert war zu dem Zeitpunkt total verbissen und geradezu verzweifelt auf der Suche nach einer Freundin. Er war sowohl mit keiner zufrieden (eine Zeitlang kamen prinzipiell nur rotharige Frauen in Betracht) als auch in Liebes oder Beziehungsdingen komplett unerfahren. Die Mädels hatten das natürlich allesamt schnell raus. Mitleid hatte keine und irgendwann war ganz Hannover kennenlerntechnisch für ihn komplett verbrannt.
In der Situation haben Robert, Bine und ich Sylvester gefeiert. Es war richtig gemütlich mit gutem Essen, Spielen, Erzählen, Vorab Feuerwerk und als kleinem Highlight Tarot Karten legen in der ersten Stunde des neuen Jahres. Um das kommende Jahr einschätzen zu können, aus Sicht von drei Hobby Astrologen.
Jeder durfte dazu exakt drei Karten ziehen.
Ich schwöre, die 64 Karten waren wirklich gut gemischt und es wurde nicht geschummelt. Robert hat blind folgendes gezogen:
Die Wahrscheinlichkeit, exakt diese drei Karten zu ziehen beträgt ungefähr 1:250.000
Wahrsager Museum Skagaströnd, an der 74 oberhalb von Blönduos. Unten am Wasser, einfach der Fellsbraut Strasse folgen.
Das Penis Museum in Reykjavik
Kann es einen grösseren Spass geben als mit pubertierenden Jugendlichen ins Phallusmuseum Museum Reykjavik zu gehen ? Peinlicher kann es absolut nicht werden, super.
Informationsbedarf über das Thema dürfte vorhanden sein. Glatt 50% der Bevölkerung hat keinen Penis und geschätzt 99,9% der Bevölkerung hat noch nie einen Schweine Penis oder einen Bullen Penis oder einen Hamster Penis aus der Nähe gesehen. Diese Wissenslücke gilt es in Reykjavik zu schliessen.
Mit einer spürbaren Zurückhaltung und gelegentlichem Schmunzeln betrachten die Besucher vom Phallusmuseum dann die Exponate: eingelegte, im Schauglas konservierte Penisse aus der Tierwelt.
Die 2500 ISK sind bereits ein steifer Preis (sorry) für den Eintritt. Im Cafe gibt es harte Waffeln in Penis Form.
Isländisches Phallusmuseum, Kalkofnsvegur 2. Etwa dort, wo die 41 einen Knick macht. Also, runterhängt oder aufragt je nach Sichtweise.
Direkt um die Ecke ist in südwestlicher Richtung eine ausgezeichnete Imbissbude mit sehr guten Hotdogs. Unbedingt „mit allem / with everything“ bestellen.
Fazit
Spleen, Genialität, alles Schrott – oder aus der Not geboren ? Wenn die oben genannten Museen auf dem Weg liegen – rate ich zu einem Abstecher. Allzu ernst sollte man den Besuch nicht nehmen. Wer mit einem gewissen Humor anstatt hohen Erwartungen unterwegs ist, wird jedoch seine Freude an den skurrilen Plätzen haben.
Abgesehen davon hat Island viele exzellente Museen, an denen es nicht das geringste auszusetzen gibt. Hier ist eine List von Museen, die ich bei meinem Besuch von Island 2022 besonders sehenswert fand:
Das Museum der Herings Ära in Siglufjördur
Das Motorrad Museum in Akureyri
Das Flugzeugmuseum in Akureyri (nur im Sommer, am Wochenende, Termine checken)
Das Perlan in Reykjavik
Das Walfisch Museum in Husavik
Das Transportation Museum an der 85 östlich von Akureyri