In meinem Blog hab ich schon öfter militärische Rationen getestet und detaillierte Reportagen darüber geschrieben. US Army MREs oder Bundeswehr EPAs sind ein inzwischen unverzichtbarer Bestandteil meiner Ausrüstung. Im Vergleich zu Schiffs Notrationen, die tatsächlich als solche konzipiert wurden enthalten 24h Bundeswehr EPAs oder US Army MREs jedoch vergleichsweise üppige Menüs. Sehr variantenreich und sie schmecken meiner Meinung nach gar nicht mal soo schlecht.
Echte Notrationen findet man dagegen in Rettungsinseln – darum geht es heute.
Frage: welche Verpflegung erwartet mich, wenn das Schiff unter geht und ich mich auf hoher See in einer Rettungsinsel wieder finde ?
Um das genau herauszufinden hab ich in Akureyri (Island) bei einer Firma vorbei geschaut, die Rettungsinseln (Wikipedia) aufarbeitet. Dazu wird das Liferaft auseinander gefaltet und geprüft, ob Beschädigungen vorhanden sind. Bei der Gelegenheit werden die abgelaufenen Notrationen ausgetauscht. Ein paar dieser eisernen Rationen haben mir die Mitarbeiter einfach so geschenkt.
Dieser Notproviant ist weltweit in einer ISO Norm standardisiert. 9 Riegel mit 18 Würfel wiegen rund 500 Gramm und haben 10300 kJ. Meine Ration wurde 03 / 2016 hergestellt und das „best before“ Datum war 03 / 2021. Obwohl das Verbrauchsdatum um 3 Jahre überschritten war waren die energiereichen Kekswürfel geschmacklich einwandfrei.
Luxus oder Varianten gibt es in einer Rettungsinsel nicht. Die komprimierten Rationen bestehen vor allem aus Weizenmehl, Zucker und Fett, mehr nicht. Das entspricht am ehesten Keksen, ist aber durchaus nahrhaft und universell für jeden geeignet. Bei einem Schiffsunglück sitzen alle im sprichwörtlichen gleichen Boot respektive Rettungsinsel.
Der kleinste gemeinsame Nenner für Europäer, Amerikaner, Asiaten, Moslems, Juden, Männer, Frauen, alte Leute, Kinder, Schwarze, Weisse, Arme, Reiche, Fleischliebhaber und Vegetarier sind dann: Kekse (vegetarisch) – und etwas Wasser. Diese weltweite Gleichbehandlung finde ich irgendwie beruhigend.
Pro Person gibt es ein Paket mit 9 Riegeln. Diese enthalten 18 Keks Würfel, die Assoziationen an Schiffszwieback wecken. Für 24 Stunden sind 3 Riegel / 6 Würfel vorgesehen, um den grössten Hunger zu stillen. Dazu 0,5 Liter Wasser pro Tag, insgesamt sind 1,5 Liter pro Person vorhanden. Die Vorräte reichen daher für exakt 3 Tage. Bis dahin wurde die Rettungsinsel dann hoffentlich gefunden und die Insassen evakuiert.
Die einzige Anleitung besteht darin, nicht mehr als 6 Kekswürfel pro Tag nur bei Hunger zu essen und kein Seewasser (auch nicht verdünnt) zu trinken.
Jeder Riegel mit 2 Kekswürfeln hat 278 Kalorien. Multipliziert mit x3 sind das 834 Kalorien pro Tag und Person. Für jemanden, der den Tag nur sitzend verbringen und möglicherweise noch etwas Kreuzfahrer Fett verbrennen kann ein akzeptabler Wert. Typisch sind normalerweise etwa 2000 Kalorien pro Person und Tag, wenn man sich viel bewegt und normal arbeitet. Ganz grob geschätzt, der individuelle Kalorienbedarf hängt von sehr vielen Faktoren ab.
Um es noch besser einzuordnen: ein typisches US Army MRE hat um die 1000 Kalorien, davon bekommt der Soldat aber zwei bis drei pro Tag. Die niederländischen 24h MRE / EPA haben zwischen 4000 und 6500 Kalorien. Die speziellen 6500er Pakete werden bei schwerer Belastung wie Tagesmärschen mit Gepäck unter winterlichen Bedingungen ausgegeben. Gedacht sind sie ausserdem für schwere Kampfeinsätze bei lückenhafter Logistik.
Bemerkenswert fand ich, dass den Weizenkekswürfeln die Vitamine C, B1 und B6 zugesetzt sind. Nicht erforderlich für einen Ausflug in einer Rettungsinsel, wobei Vitamin C tatsächlich helfen kann nicht seekrank zu werden.
Ungewöhnlich, aber naheliegend ist, dass die Rationen in der Rettungsinsel auch abgepacktes, sterilisiertes Wasser beinhalten. Das ist im Gegensatz zu den üblichen, militärischen Notrationen anders. Bei den MREs oder EPAs gehen die Hersteller davon aus, dass der Soldat Wasser in irgend einer Form dabei hat oder sich besorgen kann. Sei es durch natürliche Quellen, Wasservorräte oder dem Filtern von Wasser.
Auf dem Ozean, wo die Verwendung einer Rettungsinsel statistisch gesehen am wahrscheinlichsten ist gibt es jedoch nur Salzwasser. Das enthält durchschnittlich 3,5% Salz, was weit über der Toleranzgrenze für den menschlichen Körper mit 0,9% Salzgehalt im Blut liegt.
Schmecken tun die Kekse gar nicht mal schlecht, vor allem jedoch nach Zucker und Fett, was sich als leichter Film auf die Zunge legt. Die Portionen sind sehr krümelig und zerfallen im Mund schnell. Für verletzte, immobilisierte Seefahrer vermutlich am besten.
Aus den Notrationen kann man prima mit einfachsten Mitteln und etwas Wasser einen Brei zubereiten.
Um das auszuprobieren hab ich einen der Keks Würfel stilecht in einer abgeschnittenen PET Cola Flasche mit etwas warmer Milch aufgelöst, die mir zur Verfügung stand. Das Ergebnis ist dann ein tatsächlich sehr wohlschmeckender, immer noch etwas körniger Griessbrei.
Fazit
Verhungern muss man bei Schiffbruch in einer Rettungsinsel nicht. Aber die Anzeichen dafür, dass die Kreuzfahrt jetzt vorbei ist – sind mit diesen echten Notrationen unübersehbar. Kein Luxus und hoffentlich ist man nach spätestens 3 Tagen gerettet. Als Biskuits zum Kaffee schmecken die in Norwegen hergestellten Notrationen allerdings gar nicht mal so schlecht. Und sie sind wirklich für jeden geeignet.
Ein halber Liter Wasser pro Person und Tag ist jedoch denkbar knapp und dem Umstand geschuldet, dass in der Rettungsinsel wirklich nur Platz für das nötigste ist.
Als zusätzliche Kalorienbombe auf Wanderungen wären diese gut schmeckenden Kekswürfel vermutlich sehr willkommen.
Falls gerade jemand dabei ist, sich eine Rettungsinsel zu kaufen: es gibt zwei verschiedene Typen. ISO 9650-2 ist für den Binneneinsatz gedacht, hat keinen doppelten Boden und enthält keine Verpflegung. ISO9650-1 ist für den Offshore Einsatz konzipiert und enthält die hier vorgestellten Notrationen, ein Medikit, mehr Leuchtkugeln, eine höhere Resistenz gegen Kälte und Wellengang und weitere Rettungsmittel.
Dann hab ich noch einen kleinen Bonus: das Einwickelpapier ist vergleichsweise steif und lässt sich gut falten. Es ist prima für Origami (Wikipedia) geeignet.
Weiter führende Links:
Mein Test der Bundeswehr Einpersonen Packungen für 24 Stunden: EPA Menü 1 – 10
Test der polnischen EPA: Militär Ration 24h aus Polen