Während des kalten Krieges standen sich NATO und die Länder des Warschauer Pakts unversöhnlich gegenüber. Jeder der Blöcke hatte Atomwaffen und beide Seiten haben für ihre Regierungen unterirdische Bunker errichtet, um im Falle eines Atomkrieges handlungsfähig zu bleiben.
Zumindest theoretisch. Bei einem atomar geführten Krieg gibt es keine Gewinner.
Einer dieser komplett autarken Regierungsbunker aus der Sowjet Zeit liegt getarnt unter einem Reha Zentrum in Ligatne, Lettland. Da die Geheimhaltung erst 2003 aufgehoben wurde und ständig jemand vor Ort war ist der Bunker tadellos erhalten. Die Anlage ist im Rahmen einer Führung zugänglich und zum Glück ist die komplette Einrichtung mit Notstromversorgung, Kommunikation, Luftaufbereitung und sogar die Küche im Originalzustand erhalten geblieben. Etwa 70 km von Riga entfernt wartet daher ein spannender Besuch in einem top erhaltenen Regierungsbunker aus der Zeit des kalten Krieges auf einen.
Das haben wir in Deutschland leider nicht ! Der Regierungsbunker der Bundesrepublik lag in einem ungenutzten Eisenbahntunnel und wurde zurück gebaut. Die DDR hatte ebenfalls einen Regierungsbunker, der einfach nur verschlossen wurde, um ihn ungenutzt verfallen zu lassen.
Im Eintrittspreis vom Atombunker in Ligatne ist eine zweistündige Führung auf Englisch enthalten – und ein Snack aus russischen Teigtaschen in der kleinen Kantine des Bunkers.
Bis heute im Betrieb: wer Rückenprobleme hat, kann dort jederzeit einchecken und sich behandeln lassen. Draussen auf der Bank sitzen gelegentlich Patienten, meist ältere Menschen. Bis zum Abzug der Russen war die Einrichtung jedoch nur der Elite des Landes zugänglich. Die junge Führerin im Bunker meinte später, dass dort immer noch die gleichen Leute arbeiten, wie zur Sowjetzeit. Sie wüssten teilweise Details über die Anlage, die nur linientreuen, eingeweihten Mitarbeitern aus der damaligen Zeit bekannt gewesen sein können.
Der Eingang 2 führt zu zwei Hubschrauberlandeplätzen. Insgesamt verfügt der Platz sogar über drei befestigte Hubschrauberlandeplätze. Zwei direkt unterhalb vom Reha-Zentrum, ein weiterer etwas weiter vorn auf dem Parkplatz.
Der Bunker war für 250 Personen und einen autarken Betrieb für 90 Tage ausgelegt. Obwohl mehrere Meter Beton zwischen dem Parkplatz und der Decke des Bunkers liegen, hätte die Anlage keinem direktem Treffer mit Atomwaffen stand gehalten. Gegen Radioaktivität, chemischen oder biologischen Kampfstoffen war sie durch leichten Überdruck, Filteranlagen und Schleusen allerdings gehärtet.
Es wäre möglich gewesen, die Spitzenpolitiker von Lettlands kommunistischen Regime ganz offiziell für eine Behandlung in das stark abgeschirmte Reha-Zentrum zu bringen, um sie dann unbemerkt in den geheimen Regierungsbunker im Untergrund zu verlegen.
Alternativ wären die Regierungsmitglieder zügig mit Hubschraubern eingeflogen worden. Dazu stand neben den drei befestigten Landeplätzen genug Platz auf dem sehr grossen Parkplatz zur Verfügung.
Einige Bereiche durften wir nicht fotografieren, so zum Beispiel nicht den Kartenraum und auch nicht die beiden Notstrom Diesel Generatoren. Bilder davon sind aber längst öffentlich … Das Bild von einem der beiden Dieselgeneratoren aus der Anlage hat mir daraufhin ein befreundeter Blogger zur Verfügung bestellt.
Es gab einen direkten Draht nach Moskau. Und: das KGB hatte im Bunker eigene Räume, die nicht einmal der kleinen Stammbesatzung aus Lettland zugänglich waren. Diese erkennt man an den zwei Schlössern in den Türen.
Neben einer Notstromversorgung hatte der Bunker eine Luft Aufbereitung mit Filtern und zusätzlichen Sauerstoff Flaschen, die für 90 Tage autarken Betrieb mit 250 Personen ausgereicht hätten. Es gab exakt vier Toiletten, einen Tiefbrunnen für frisches Wasser und ein schallisoliertes Tonstudio, um Ansprachen für die Bevölkerung aufzunehmen. Das alles ist grösstenteils im Originalzustand erhalten.
Es gibt bei diesem Propaganda Plakat einige interessante Details. Erstens ist auf dem Teller eine kleine, nicht verschwenderisch üppige Portion – diese jedoch mit Fleisch. Einem Zeichen für Wohlstand – in der modernen Sowjetunion. Zweitens wird z.B. Wodka in Russland eher aus Bechern konsumiert, nicht aus Schnapsgläsern. Drittens trägt die Person, die den jungen Sowjet mit Alkohol verführen will einen Nadelstreifenanzug. Markenzeichen westlicher Manager und des Kapitals.
Interessant (und geheimnisvoll) sind die Abmessungen der gesamten Anlage ! Ich schätze den besuchten Bereich auf etwa 2000 Quadratmeter. Wir waren nur auf einer Ebene unterwegs und haben keine Treppen benutzt. Lüftungsschächte an der Oberfläche und auch der Abstand der Eingänge lassen einen anderen Schluss zu. Tatsächlich müsste die Anlage demnach geschätzt 5000 bis 6000 Quadratmeter haben und sich weit bis unter den riesigen Parkplatz erstrecken. Die Führerin meinte, dass tatsächlich nur ein kleiner Teil der Öffentlichkeit zugänglich ist. Der Rest wurde Mal als „Lager“ bezeichnet, dann wiederum als „eingestürzt“. Viele der Gänge in dem Komplex endeten jedenfalls an einer geschlossenen Tür.
Der gesamte, riesige Vorplatz ist frei von Masten, Strassenlaternen oder Stromleitungen.
Es gibt Stories, dass Hubschrauberpiloten widerholt nicht den Landeplatz auf dem Parkplatz (auf dem Bunker ?) benutzt haben, sondern absichtlich weit davor in der Nähe vom Eingangstor gelandet sind.
Dort im Untergrund warten daher noch viele Geheimnisse auf eine Entdeckung.
Eine Übersicht über Regierungsbunker bei Wikipedia – Ligatne / Lettland müsste dort Mal jemand eintragen …
Ein Reisebericht vom Kriegshafen Karosta, ebenfalls in Lettland, mit seinen unterirdischen Bunkeranlagen ist hier: www.25u.de/karosta-der-kriegshafen-von-liepaja