Mein Sommer in Island war schneller vorbei als gedacht. Ich war zum Schluss satte vier Monate hier. Ohne das explizit so zu planen hab ich rein zufällig den totalen Luxusurlaub gemacht, inklusive Vulkanausbruch.
Mir sind Leute begegnet, die 450 Euro pro Tag für einen Landrover bezahlt haben beziehungsweise 650 Euro pro Tag für einen 4×4 LKW. Daher hab ich mit meinem DAF T244 in den rund 120 Tagen offenbar Urlaub im Wert von 78.000 Euro gemacht. Luxuriös war vor allem die viele Zeit, die ich hatte.
Zeit: das ist das wertvollste, was wir besitzen.
Ich hatte ein unglaubliches Glück, sie in Island zu verbringen. Unbegreiflich sind mir Island Besucher, die ihre 14 Tage Island minutiös planen – mit Hotel und was sie angucken wollen und dann ihre Liste auf der Ringstrasse total gehetzt im Mietwagen abfahren. Ohne zeitlich flexibel zu sein wird dann bei schlechtestem Wetter gewandert, weil ja alles seit Monaten im Voraus gebucht ist.
Aber zurück zum Thema ! In den Ostfjorden hatte ich bis zur Abreise noch etwa 10 Tage Zeit. Im September bricht in Island die Infrastruktur rapide weg. Fast alle Museen haben geschlossen und es sind nur noch wenige Restaurants & Campingplätze geöffnet. Offen sind allerdings noch die Badeanstalten.
Die letzten halbwegs warmen und hellen Tage hab ich daher mit Fotografieren und Wandern verbracht.
Im Lodmundarfjördur, am Ende der F946
Die F946 offroad Piste beginnt bei Bakkagerdi im Borgarfjördur und endet nach etwa 1,5 Stunden rumpeliger Fahrt beim Lodmundarfjördur. Dort wartet ein schwarzer Sandstrand auf einen und eine gastliche Hütte. Die Berghütte liegt zusammen mit weiteren Unterkünften auf einem Wanderweg von Seydisfjördur nach Bakkagerdi. Eigentlich ist die Hütte nur für Mitglieder vom lokalen Wanderverein, aber sie war auf.
Am Anfang war ich dort allein, aber um 16:00h hat Christian aus der Schweiz an meiner Kabine geklopft und mich aus einem verspäteten Mittagsschlaf geholt. Er war von Seydisfjördur aus den Wanderweg die Berge runter gekommen und hatte bestes Wetter mitgebracht.
Das war eine richtig nette Begegnung: wir haben in der Hütte den Holzofen angemacht, gemeinsam gekocht und uns von unseren Reisen erzählt. Als Ausgleich für das verbrauchte Feuerholz hab ich Kaffee und eine Packung Spagetti dagelassen und das meiste von dem Müll mitgenommen.
Der Lodmundarfjördur ist nur mit einem Geländewagen zugänglich und herrlich verlassen.
Und sonst …. ?
Ich muss noch erzählen, was es mit der Badekultur in Island auf sich hat. In den Badeanstalten und natürlich auch in den heissen Quellen werden keine Desinfektionsmittel eingesetzt. Dementsprechend wichtig ist es den Isländern, blitzeblank ins Wasser zu steigen.
In jeder Badeanstalt hängt daher ein anatomischer Plan des Menschen wo die besonders gründlich mit Seife zu reinigenden Stellen genau eingezeichnet sind. Falls man das nicht präzise genug macht kommt möglicherweise ein aufgeregter Isländer an und erklärt es einem. Seife wird – reichlich – bereit gestellt.
Manchmal gibt es einen privaten Umkleidebereich oder einzel Duschkabinen. Aber oft findet man sich in Gemeinschaftsduschen wieder, wo jeder blank zieht und sich vor den Augen aller gründlich abschrubbt. Ich hab noch nie so viele nackte Männer gesehen wie dort in Island, mein Bedarf ist für den Rest meines Lebens gedeckt. Selber sah ich natürlich nicht anders aus. Für prüde Menschen ist das gewisse eine Hürde. Ich mag mir kaum vorstellen, wie sich Amerikaner oder Ultrareligiöse dabei fühlen.
Etwas Island Urlaub Statistik:
Mitgenommene Anhalter: 5 (zwei Polen, eine Slowenin, einen Kanadier & Christian aus der Schweiz)
Ausgebrochene Vulkane: 1
Überfahrene Schafe: 0
Piste verlassen: 0 Minuten
Werkzeugkoffer verliehen: 3
Starterkabel verliehen: 2
Autos rausgezogen: 2
Krank gewesen: 3 Tage (eine richtig ordentliche Erkältung)
Eigene Fahrzeug Probleme: 8
Echt krass, was hier auf den Pisten alles kaputt gegangen ist. Es waren in einzelnen: Wasser im Getriebe, eine Kabinen Staubox abgerissen. 3 Werkstattbesuche wegen der abgerissenen Schraube aus der Lenkung, was als jeweils einzelne Panne gewertet wurde. Dann: ein Kabinenfenster rausgefallen, Kotflügel aus Alu hinten rechts gerissen, was in einer Werkstatt geschweisst werden musste. Flaschenfach im Kühlschrank zerbrochen. Durchgescheuerte Spanngurte: nicht mitgezählt.
Beobachtete Reifenpannen mit anhalten & Hilfe anbieten: 5
Allesamt mit völlig abgefahrenen Puschen, ausschliesslich Mietfahrzeuge
Schrecklichster Ort in Island: Selfoss. Macht einen weiten Bogen um Selfoss ! Dort haben nacheinander fünf Werkstätten sehr unfreundlich abgelehnt, mir bei dem Getriebe Problem zu helfen. Was kein Zufall mehr sein kann. Ich war zum Schluss echt verzweifelt.
In Selfoss wohnen scheinbar ziemlich unmögliche und unfreundliche Leute. Selfoss: Grauenhafte Erfahrung !
Absolutes Island Highlight: der Vulkanausbruch. Bericht ist hier: Vulkanausbruch Island
Kriminalität in Island ? Island ist ein extrem sicheres Reiseland. Ich hab unterwegs Nachts kein einziges Mal die Kabine abgeschlossen, sondern immer nur die Leiter eingezogen. Es gab jedoch einen Vorfall. In Reykjavik wurde ich an einem Montag Morgen um 6:00h von Typen geweckt, die auf dem Parkplatz sämtliche Türen der geparkten Autos durchprobiert haben. Bei mir auch, allerdings nicht die hoch liegende Kabinentür. Von den Geräuschen am Truck geweckt war ich schlagartig hellwach. Die waren zu dritt und super zappelig, regelrecht hippelig, daher auf Droge oder auf Entzug. Ich hab dann still und leise den Truck startklar gemacht und bin gefahren.
Islands Polizei, Ranger, Rangerinnen oder auch den Strassenservice Vegagerdin hab ich stets als professionell, freundlich und hilfsbereit erlebt. Der DAF T244 kommt aber auch super sympathisch rüber, auf Reisen ein unbezahlbarer Bonus.
VISA für einen Besuch über 90 Tage. Offiziell müssen alle Ausländer ein Visa beantragen, die länger als 90 Tage in Island bleiben wollen. Nachdem mir klar geworden ist, dass ich im August keine Fähre bekomme und etwa 120 Tage in Island bleiben werde hab ich mich rechtzeitig darum gekümmert.
Offizielle Antwort von der Isländischen Behörde: sie als Deutscher Tourist benötigen auch bei mehr als 90 Tagen kein Visa.
Zuständig für Fragen ist:
Visa Affairs, The Icelandic Directorate of Immigration
Dalvegi 18, 201 Kopavogi, Iceland
Telefon: +(354) 444 0900
Webseite: www.utl.is
Die Ausreise verlief dann auch ohne besondere Ereignisse. Ich hab mir den Fragebogen zur Beantragung von einem Visa trotzdem genau durchgelesen. Sämtliche Fragen der isländischen Behörden (Krankenversicherung, Rückreiseticket, genug finanzielle Mittel, …) hätte ich positiv im Sinne der Behörden beantworten können. Wenn man als Deutscher Tourist den ganzen Sommer bleibt, um Vulkane und Gletscher zu bestaunen ist das daher unproblematisch. Anders sieht es aus, wenn man in Island arbeiten möchte.
Ich würd Island liebend gerne nochmal einen ganzen Sommer lang besuchen. Denn ich hab ohne Ende Sachen verpasst: Schaftsabtrieb, noch mehr Hochland & Furten, Wale beobachten, längere Wanderungen – und vieles mehr.
Nachtrag
Google hat mir gerade meine „Zeitachse“ geschickt.
Ich bin ganz schön weit in Island rumgekommen !
Ziemlich aufschlussreich, die von Google für mich gebastelte Karte. Die 550 hab ich nicht mehr geschafft und interessanterweise fehlen im Hochland sehr viele rote Punkte. Dort hab ich wenig mit dem Handy fotografiert und es war nur selten ein Mobilfunknetz vorhanden.
Zweiter Nachtrag: den Sound von Island mit nach Hause nehmen – Online Radio aus Island
Bei meinem Sommer in Island waren die Radio Sender Islands mein ständiger Begleiter. Island hat zwar nur 380.000 Einwohner (was halb so viel ist wie meine Heimatstadt Hannover), aber eine sehr aktive Kunst und Musikscene.
Viele der Radio Stationen sind kommerziell wie bei uns und spielen den üblichen Mix aus Einheits Pop / Rock & Werbung. Aber vor allem Abends oder Nachts ist Platz für isländische Künstler. Dann hört man innovative Rockbands und isländische Singer Songwriter, die unglaublich vielseitige Musik machen.
Toll, dass man heutzutage Islands Musik einfach so online hören kann, ohne vor Ort sein zu müssen. So kann man den Urlaub zumindest akustisch noch etwas verlängern, in dem man live Konzerten lauscht oder einfach nur die isländischen Stimmen hört.
Vor allem: Abends. Tagsüber ist viel gute Laune gaga. Aber Abends trauen sich die Sender mehr, so hab ich zum Beispiel zur Musik von Deerhunter, den späten Songs von Johnny Cash und der isländischen Band Solstafir gefunden.
Ein ganz guter Einstieg ist der staatliche Radiosender Ras2, der ist hier:
Die Station ist auch über Radio.de abrufbar, dort sind noch mehr isländische Sender zum reinhören versammelt:
Den meisten fällt ja nur Björk ein, wenn man nach isländischer Musik fragt. Dabei gibt es so viel mehr zu entdecken.
Ich mag deine Berichte – alles Gute – bin auf deine nächsten Reisen gespannt …