Portrait der Menschen, die in Grindavik geblieben sind

Grindavik, eine Kleinstadt in Island mit ehemals 3600 Einwohnern wurde nach dem verheerenden Vulkanausbruch 2023/2024 fast vollständig evakuiert. Der isländische Staat hat die Immobilien zum Preis der Feuerversicherung aufgekauft und fast alle Bewohner sind umgezogen. Grindavik ist damit zu einer Geisterstadt geworden, in der kaum noch Menschen unterwegs sind.

Einige wenige Bewohner haben das Angebot jedoch ausgeschlagen, was ich interessant genug fand um nach den Gründen zu fragen. Von der Polizei hab ich die Auskunft erhalten, dass exakt 23 Menschen in Grindavik als Einwohner geblieben sind. Von denen hab ich versucht, einige ausfindig zu machen. Ich hab die Interviews auf Englisch geführt und dann für mein Blog anhand meiner Notizen aufgeschrieben, was ich erfahren habe.

Der erste Bewohner in Grindavik, den ich intensiv nach seinen Motiven befragt hab war Magni Freur. Ich bin ihm begegnet, als er gerade mit seinem Hund draussen war und ich in Grindavik zu Fuss unterwegs.

Magni stammt ursprünglich aus einem Stadtteil Reykjaviks mit leicht erhöhter Kriminalität, dort wollte er keine Kinder gross ziehen. Ausserdem ist Reykjavik teuer. Magni ist daher seit 2021 Bewohner Grindaviks und hat sich mit einem eigenen, bezahlbaren Haus einen Lebenstraum erfüllt. Er denkt ebenfalls nicht daran wegzuziehen, da ein Neuanfang für ihn mit erheblichen Verlusten und Kosten verbunden wäre. Speziell für seine Familie hat sich seit der Schliessung der Stadt viel verändert. Seine Frau arbeitet als Lehrerin. Sowohl sie als auch seine Kinder müssen nun einen langen Weg nach Keflavik auf sich nehmen, um zur Schule zu kommen. Trotzdem möchte er mit seiner Familie weiter in Grindavik wohnen.

Magni hat mir noch einen mit Gräsern und Moos bewachsenen Felsen gezeigt und mir mit einem Augenzwinkern versichert, dass dort Elfen wohnen. Der Elfenglaube ist in Island tief verwurzelt und mir persönlich sogar sehr sympathisch. Obwohl ich eine gewisse Skepsis nicht leugnen kann fand ich es toll, dass Magni das als waschechter Isländer mit mir geteilt hat. Ich hab es daher ernst genommen und spontan ein paar kleinere Plastikschnipsel rund um den mit Gräsern und Kräutern bewachsenen Felsen eingesammelt.

Jan ist gebürtiger Pole, seit 2008 in Island und ebenfalls stolzer Besitzer von einem Haus in Grindavik. Er hat auch nicht verkauft und wohnt nach wie vor mit seiner Frau in Grindavik. Als ehemaliger Seemann meint er, dass er in Indonesien an gefährlicheren Vulkanen vorbei gekommen ist. Er hat mir erzählt, dass die Polizei und der Island SAR im Falle einer konkreten Gefahr rechtzeitig warnen. Jan meint, dass man sich darauf und auf die Wissenschaftler, die den Vulkan beobachten und erforschen sehr gut verlassen kann. Daher macht er sich keine Sorgen, zumal sich im Gebiet rund um Grindavik bislang nur Lava spuckende Vulkanspalten geöffnet haben. Es gibt seiner Meinung nach schlimmere Risiken im Leben als das.

Jan wollte nicht, dass ich ein Portrait Foto mache und online stelle. Daraufhin haben wir uns darauf geeinigt, dass ich seine Hände fotografieren darf.

Trotzdem ein gutes Foto, finde ich, denn seinen Händen sieht man an, dass er Jahrzehnte lange Arbeit gewohnt ist.

Sebastian ist der Sohn von Jan, er besitzt ebenfalls ein Haus in Grindavik und hat nicht den Wunsch zu verkaufen. Seit 2013 nennt er Grindavik in Island seine neue Heimat. Sebastian hatte bei der Einbürgerung die Gelegenheit, seinen polnischen Namen zu ändern, woraufhin er sich für „Jansson“ entschieden hat. Die deutsche Übersetzung für Jansson ist tatsächlich: Sohn von Jan. Passt !

Dieser Aspekt bei der Einbürgerung in Island war mir bislang unbekannt. Sebastian spricht sechs Sprachen: Polnisch, Englisch, Deutsch, Russisch, Isländisch und Norwegisch. Norwegisch, weil er dort ebenfalls ein paar Jahre gelebt hat.

Sebastian war die Verbundenheit zu Island besonders anzumerken. Dies ist seine neue Heimat, wie er mehrmals betont hat und er hat nicht vor, zu gehen. Und das, obwohl ihm die Welt mit seinen beeindruckenden Sprachkenntnissen sicherlich offen stehen würde.

Er meint, ihm gegenüber wohnt ein Nachbar, der ebenfalls nicht verkauft hat und sein Haus derzeit für einen Neueinzug renoviert.

Sigurbjörn hab ich stellvertretend für den kleinen Velsmidja Grindavikur Laden interviewt.

Eine kleine, aber feine Autoreparatur, Metallbauer & Baumarkt Kombination in der man Werkzeug und überhaupt alles bekommt um egal welche Reparaturen durchzuführen. Nebenbei gesagt der einzige Ort in Grindavik, wo man ein belegtes Baguette aus dem Kühlregal bekommt, Kaffee und einen Sitzplatz mit Tisch am Schaufenster. Alles andere hat immer noch zu oder „bis auf weiteres“ geschlossen.

Der Besitzer denkt ebenfalls nicht daran, zuzumachen. Die Kundenbasis aus Bewohnern und Laufkundschaft ist natürlich weggebrochen, aber es gibt immer noch genug Kunden aus den lokalen Wirtschaftsbetrieben, die ebenfalls nicht ans aufgeben denken. Grindavik ist ein bedeutender Fischereihafen in Island mit sehr fischreichen Fanggründen. Einen Business, den man nicht einfach so verlegen kann. Egal ob hier gerade ein Vulkan sein Unwesen treibt oder nicht.

Grund genug jedenfalls für den kleinen Baumarkt, diese schwierigen Zeiten durchzustehen und weiter zu machen.


Die hartnäckigen Isländer in Grindavik und ich scheinen etwas gemeinsam zu haben: eine gewisse Sturheit und Durchhaltevermögen. So habe ich mich nicht durch eine komplett eskalierte Vulkanbürokratie einschüchtern lassen und bin trotz aller Hürden nach Grindavik und zum Vulkan gelangt. Einige Grindaviker sind allen Übeln & Schwierigkeiten zum Trotz in der kleinen Stadt geblieben, trotz Vulkan.

Ich glaube, in ein paar Jahren könnte Grindsvik wieder komplett belebt sein. Im Moment scheint sich die Vulkan Aktivität wieder nach Norden in unbewohntes Gebiet zu verlagern, worüber ich sehr froh bin. Vielleicht wird Grindavik bald wieder vollständig geöffnet und dann könnte dieser Blog Beitrag ein ganz interessantes Zeitdokument werden.

Mit einer kurzen Reportage über die Menschen, die Grindavik und ihrer Heimat Island in all der schweren Zeit treu geblieben und nicht gegangen sind.

Geschlossene N1 Tankstelle in Grindavik

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