Ehrlich gesagt hab ich mir das mit dem Besuch der isländischen Vulkane leichter vorgestellt. So wie 2022. Damals konnte man einfach sein Auto im Ausbruchgebiet parken und zum Vulkan hinlaufen. Zugegeben: mit einem anspruchsvollen, anstrengenden Tagesmarsch. Am Vulkan selbst herrschte eine ausgelassene, friedliche Volksfeststimmung. Der isländische SAR hat etwas nach dem rechten gesehen, Polizei war nicht nötig. Die Leute waren schlau genug, nicht zu dicht ranzugehen. Sowohl die spürbare Hitze vom glühenden Gestein als auch die scharfkantige, erkaltete Lava haben alle davon abgehalten, etwas unsinniges zu tun. Ausserdem war die Sicht vom sicheren Berg runter auf den Feuer spuckenden Vulkan gut genug. Die anwesenden Kinder hab ich fitter erlebt als gewisse Erwachsene, die keinerlei körperliche Bewegung mehr gewohnt waren.
Und 2024 ?
Diesmal ist alles abgesperrt, wirklich weiträumig, auf 10 Kilometer. Dabei sind die Bedingungen bei diesem Ausbruch eigentlich optimal: es gibt in der Blauen Lagune einen riesen Parkplatz mit Toiletten und man müsste nur 1km über den Bergrücken laufen, um genug zu sehen. Der Wind weht fast immer weg von der Blauen Lagune, nach Osten.
Offiziell zugelassen sind für Reportagen jedoch nur wenige, ausgewählte Journalisten. Die Hürden, in diesen exklusiven Kreis aufgenommen zu werden sind extrem hoch – ich hab es trotzdem versucht. Echt merkwürdig für ein Land, was sich für sehr demokratisch hält und die Pressefreiheit wahrscheinlich auch irgendwann man ganz gut fand. Völlig absurd: als Journalist oder Blogger aus Europa wird einem selbst mit guter Ausrüstung wie Gas Maske und funktionierendem Funkgerät der Zugang am Checkpoint zum inzwischen schon wieder schwächer werdenden Vulkan verwehrt.
Andererseits darf man mit einer Reservierung für die Blaue Lagune zum Vulkan gucken einreisen, das gilt für jeden. Schon irgendwie merkwürdig. Kein Wunder, das es in meinen bisherigen Berichten (Artikel) unter anderem darum ging, wie man sich reinschleicht – um trotzdem ein paar Bilder vom Vulkan zu erhaschen.
Ich finde das selber jedoch nicht gut. Das Katz und Maus Spiel mit dem isländischen SAR war zwar ganz unterhaltsam, aber das bindet natürlich Ressourcen, die anderswo dringender gebraucht werden.
Daher hab ich mit einem für eine Einzelperson völlig absurden, zeitlich und finanziell unfassbarem Aufwand erneut den offiziellen Weg beschritten, um legal und 100% complient vom Vulkan berichten zu können. Ich – im Kampf gegen die lähmende Vulkan Bürokratie in Island.
Welche Bedingungen muss man erfüllen, um in Island als Reporter aus potentiell gefährlichen Zonen zu berichten ? Ohne Redaktionsnetzwerk im Hintergrund ?
Teil A: die leichten Sachen.
Das sind zunächst Gegenstände, die man schon hat oder im isländischen Baumarkt bekommt. Die isländischen Behörden verlangen offiziell:
- gelbe Weste, mit Press beschriftet (geht auch ohne Beschriftung)
- Gasmaske Typ ABE
- Presseausweis (wichtig)
- Helm und Schutzbrille (wurde nicht verlangt)
- Fahrzeug mit dem Namen der Agentur beschriftet (wurde nicht verlangt)
Ich hab eine 3M Gasmaske von Typ 4277+ / 4279+ an Bord, die mit ABEK klassifiziert ist. Perfekter Allrounder.
Bei 3M sind die Schutzklassen wie folgt: organische Gase und Dämpfe (A2), anorganische Gase und Dämpfe (B2), Schwefeloxid und Chlorwasserstoff (E2), Ammoniak und organische Ammoniakderivate (K1). Entscheidend ist dabei die Schutzklasse E2 gegen Schwefelgase.
Bei geführten Touren war vor allem der Presseausweis entscheidend. Für geführte Touren ist die oben aufgeführte Ausrüstung daher ausreichend. Die Polizei, die vorweg fährt hat sowohl einen Gassensor dabei als auch Funk und ist mit der gesamten Ausrüstung vertraut. Eine Gasmaske finde ich persönlich sinnvoll, auch wenn man sie vermutlich nie benutzt. Trotzdem kann sich der Wind in Island bei längeren Exkursionen jederzeit drehen.
Die Atemwege sind beim Menschen besonders empfindlich. Daher sollte sich eine Gasmaske zumindest in unmittelbarer Nähe wie dem Auto befinden.
Teil B: die schwierigen Sachen
Der Teamleader muss zusätzlich ein Gaswarngerät und ein aktives Tetra Funkgerät dabei haben. Ab hier wird es anspruchsvoll. Diese Ausrüstung ist auch erforderlich, um eine „Desaster Card“ zu bekommen. Mit der kann man bei aktiven Vulkanausbrüchen anscheinend noch eine Weile in der Gefahrenzone bleiben, bis die Einsatzleitung eine Evakuierung für alle anordnet. Oder nach Absprache mit dem isländischen SAR und der Polizei unbegleitete Ausflüge unternehmen. In vergleichsweise ruhigen Zeiten, in sichere Zonen.
Gefordert wird ein Gaswarngerät oder Sensor für SO2, H2S, CO2, O2. Wobei mit O2 wohl eher ein Gasmeter gemeint ist, um den Sauerstoffgehalt in der Luft zu messen. Ich persönlich würde einen O2 Sensor für geschlossene Räume (Laderäume in Schiffen !) für sinnvoll halten, für Vulkangebiete die im Wind liegen eher nicht.
Obwohl die menschliche Nase eigentlich sehr empfindlich für Schwefelgase ist hab ich bei Dynjandi in Reykjavik einen Senko SO2 Gassensor gekauft, Typ SGT SO2. Für rund 400€. Um den geforderten Bedingungen gerecht zu werden.
Obwohl damit streng genommen nicht alle vier Gase überwacht werden, war das im praktischen Einsatz okay und selbst komplett akteditierte Journalisten hatten nichts anderes dabei. Siehe bei Youtube.
Webseite: www.dynjandi.is
Adresse: Skeifan 3, 108 Reykjavik
Besonders bitter ist, dass es sich dabei um ein Einweggerät handelt, was nur rund 3 Monate funktioniert.
Zu dem Zeitpunkt hätte ich theoretisch bereits Zugriff auf ein Tetra Funkgerät als Leihgerät gehabt: Ausrüstung vollständig. Mit Tetra Funkgerät kann man dann die begehrte Desaster Card beantragen. Der Permit gilt für eine (knappe) Woche, ist aber verlängerbar.
Für Isländer ist press.is in dem Fall die passende Anlaufstelle. Diese isländischen Presseorganisation hat ein Kontingent von 50 Pässen, die sie an ihre Mitglieder vergibt. Voraussetzung ist die isländische Staatsbürgerschaft, Steuernummer und natürlich Mitgliedschaft in dem Verein.
Webseite: press.is
Adresse: Sidumuli 23, 108 Reykjavik
Für Ausländer ist das Isländische Touristenbüro Ferdamalastofa ITB (Islandic Tourist Board) zuständig. Dort gibt es ein Formular (auch online) zum beantragen der Desaster Card. Voraussetzung ist auch hier das oben geschilderte Ausrüstungskonvolut + insbesondere ein Tetra Handheld Radio.
Webseite: www.ferdamalastofa.is
Adresse: Geirsgata 9, 101 Reykjavik
Tetra Funkgeräte selbst waren in ganz Island leider gerade ausverkauft. Nicht einmal gebrauchte Geräte waren zu bekommen. Aber selbst Leihgeräte oder soeben gebraucht erworbene Funkgeräte müssen auf eine individuelle Tetra Nummer programmiert UND im isländischen Tetra Netzwerk aktiviert werden. Zusätzlich muss das Gerät Teilnehmer in einer speziellen SAR Notfall Talkgroup sein. Das sind drei völlig unterschiedliche Dinge. Durch diese drei ziemlich hoch hängenden Ringe zu springen in einem ohnehin komplett leer gefegten isländischen Markt für Tetra Handhelds war ein ziemliches Kunststück.
Da die Prozedur für unprogrammierte Leihgeräte und Neugeräte identisch ist schreib ich mal auf, wie es bei mir funktioniert hat.
Für Tetra Funkgeräte gibt es zwei Händler.
Motorola Funkgeräte werden von Falkinn Ismar vertrieben.
Webseite: www.falkinnismar.is
Adresse: Dalvegi 10 – 14, 201 Kopavogi (Reykjavik)
Die waren aber gerade ausverkauft und der Termin für neue Geräte hat sich immer weiter nach hinten verschoben. Als Deutscher fasst man sich da echt an den Kopf. Bei uns reicht ein click und zack steht am nächsten Tag das gewünschte Ding vor der Tür. Mit Preisen zwischen 150€ (eBay gebraucht) über 300€ (Einsteigergerät) bis 500€ (Neu & Profiklasse). Breite Auswahl & Sofort.
Nicht so in Island. Ich hab dann trotzdem noch etwas weiter gesucht, anstatt das kurzerhand über Deutschland zu regeln. Der Versand nach Hannover und der Weiterversand nach Island hätte auch schon 10 Tage gebraucht und eventuell Zoll Fragen aufgeworfen.
Eher durch Zufall bin ich so bei FAJ reingestolpert, die eigentlich nur Marine Funk machen und sich eher als Bootsausrüster verstehen.
Webseite: faj.is
Adresse: Midhraun 13, 210 Gardabaer (Reykjavik)
Asgeir Runarsson, Sales & Marketing meinte, jaaa da sind tatsächlich zwei Sepura Tetra Geräte im Glaskasten, aber die funktionieren nicht.
Ich hatte dort beim herumstöbern in der Vitrine ein Sepura SC2020 und ein Sepura SC2120 entdeckt und vehement mit dem Finger darauf gedeutet. Im Dornröschenschlaf, quasi in einem Sarg aus Glas. Die sahen sogar ziemlich modern aus.
Angesichts der dringlichen Vulkan Lage hat Asgeir dann versprochen, sich der ganzen Angelegenheit nochmal ernsthaft anzunehmen. Und die beiden irgend wie fertig zu programmieren.
Letztendlich glaube ich, dass es für FAJ ein ganz guter Impuls war, sich der Tetra Sache mit Sepura doch nochmal zu widmen. Immerhin – könnten – sie mit Sepura als Motorola Alternative zur Nummer zwei werden in Island, nicht wahr ? Als Ausrüster für digitalen Behördenfunk, für Polizei, SAR, Zoll & Behörden.
So hat Asgeir extra für mich neue Sepura Programmierungs Software installiert, verlorene Passwörter gesucht, eine hohe Lernkurve hingelegt, Tetra Crashkurse gemacht, eine Fernwartungssoftware für seinen PC installiert und Support Tickets im HQ Schweden erstellt. Um mir das Gerät irgendwie fertig zu machen.
FAJ hat den Vorteil, Ausrüster für Hochseeschiffe zu sein. Daher dürfen sie Rechnungen ohne Mehrwertsteuer ausstellen. Den Schritt sich bei der Ausreise über das Tax Free Programm einen kleinen Teil der Mehrwertsteuer wieder zu holen spart man sich damit ! Eine super Abkürzung !
Das ist anders als bei uns in Deutschland und war für mich überraschend. Bei uns ist die MwSt immer ausgewiesen lässt sich auch erstatten, aber im Laden bezahlen muss man sie erst Mal.
Funkgerät erfolgreich beschafft ? Der nächste Schritt ist dann wie folgt:
Helgi Reynisson ist für das zuweisen einer Tetra Nummer in Island zuständig. Er hat sein Büro direkt im isländischen SAR Hauptquartier. Diese Nummer muss in das Funkgerät programmiert werden, was wiederum FAJ erledigt. Helgi sorgt dann in einem weiteren Schritt dafür, dass das Funkgerät im Tetra Netzwerk registriert wird. Also etwas Ping Pong und ärgerlicherweise nichts, was man gratis selber erledigen könnte.
Tetra Iceland Adresse: Björgunarmidstödin, Flugvallarvegur, 105 Reykjavik
Nach diesem Schritt sollte das Funkgerät soweit programmiert und im isländischen Tetra Funknetz angemeldet sein. Zusätzlich gefordert wird jedoch die Registrierung in der SAR Notfall Talkgroup, die zusätzlich programmiert werden muss.
Talkgroup: Gulur – 2 – 3 / Yellow – 2 – 3
Diese Talkgroup gehört wiederum der isländischen Polizei und stellt sozusagen den Endboss dar. Denn (wir erinnern uns) die Polizei ist es ja, die den ganzen Wahnsinn mit gesperrten Zonen überhaupt erst eingerichtet hat und alles nach Leibeskräften abdichtet.
Dafür ist zusammen mit dem Formular zur Beantragung der Desaster Card eine weitere, kleine Bewerbung für die Teilnahme in der Notfall Talkgroup notwendig – ebenfalls beim Ferdamalastofa ITB Tourist Board.
Aber wenn man von Null startet sind diese zwei Vorgänge im Grunde nur eine einzige Aktion bei der Behörde: Desaster Card beantragen + durch Mitteilen der eigenen Tetra Nummer die Mitgliedschaft in der Gulur-2-3.
Für Fragen war Snorri zuständig – frag dort einfach nach Snorri. Für die yellow 2-3 Gruppe scheint aber ebenfalls Helgi zuständig zu sein. Ganz ehrlich, 100% transparent war das alles nicht.
Gleichzeitig sollte die Drohne registriert werden, das wurde im ITB ebenfalls abgefragt. Dafür ist die Icelandic Transport Authority zuständig.
Webseite zur Drohnen Registrierung: island.is/en/drone-registration
Dazu hab ich auf den Link „Register a drone for commercial purposes“ geclickt, was normalerweise Geld kostet. Die Registrierung war dann aber doch gratis.
Die Webseite registriert alle Daten und gibt eine Registrierungsnummer zurück. Ich hab das auf meine Drohne einfach mit einem Edding drauf bzw aus Platzmangel drunter geschrieben.
Im Vulkangebiet gilt dann offiziell eine maximale Flughöhe von 60 Metern anstatt 120 Metern.
Das Tourist Board schaltet einen nach diesen ganzen Erledigungen und Ausgaben letztendlich für die exklusive Desaster Talkgroup frei und erteilt die begehrte Desaster Card. Die man sich dort im Büro abholen kann, wo dann noch schnell der Presseausweis kopiert wird.
Dieser Permit gilt für eine Woche, das kann aber jederzeit verlängert werden.
Angesichts der Tatsache, dass die Blaue Lagune von Jedermann nur mit einer simplen online Reservierung besucht werden kann war das ziemlich aufwändig. Dort auf dem Parkplatz steht man ja auch schon in Drohnen Reichweite für den Vulkan.
Alter, was für ein Aufwand. Die reinste Pionierarbeit. Die Kosten sind mit über 1000€ für das Tetra, 400€ für den Gas Sensor und weiteren rund 500€ für alles mögliche andere ebenfalls explodiert. Zeitaufwand war mit Recherchen, Herumlaufen und Herumfahren über eine Woche.
Es haben allerdings schon ganz andere Leute versucht, meine Entschlossenheit auf die Probe zu stellen …
Mit TETRA klappt die Einreise dann jedenfalls problemlos. Ich hatte irgendwie den Eindruck, einen leisen Anflug von Überraschung beim Checkpoint Personal zu bemerken, aber da hab ich mich sicherlich getäuscht.
Eine typische Rückfrage der Polizei war dann immer: von welcher Organisation sind sie ? Antwort: nene, ich mach das hier alles komplett allein.
Das Hauptquartier weiss daher ständig, wo sich der Besitzer vom Funkgerät aufhält und kann ihn gegebenenfalls bei Gefahr warnen. Auch wenn man das ganze in Frage stellt – so gefährlich fand ich das Gebiet eigentlich nicht – macht diese Technik im Katastrophenfall oder bei bevorstehenden Ausbrüchen natürlich Sinn.
Man merkt, dass die Sorge um das Wohlergehen sehr stark in der isländischen Gesellschaft verwurzelt ist. Anders als bei uns, wo es bei 85 Millionen Leuten eher ruppig und anonym zugeht.
Falls es ausser mir jemand probieren will – hätte ich folgende Ratschläge:
- Tetra Funkgerät und Gassensor bereits in Deutschland besorgen und mitbringen. Oder zusenden lassen, wegen Zoll am besten gebraucht. Mit Tetra Geräten von Motorola kennen sich die Firmen hier recht gut aus. Polizei und isländischer SAR haben immer Motorola. Achtung: das Gerät muss GPS haben !
- Für Journalisten die nur ein paar Stunden hier sind empfiehlt es sich eher, die Tour zusammen mit einem lokalen Pressevertreter zu machen oder sich vom ITB beim Ausleihen / Mieten von Ausrüstung helfen zu lassen. Wie ich zum Schluss erfahren hab vermietet das ITB komplett eingerichtete Funkgeräte sogar, der Tagespreis von ungefähr 100€ ist aber alles andere als günstig.
- Für Kauf, Programmierung und Registrierung von einem eigenen Tetra Radio in Island würde ich zwischen 3 und 5 Tagen einplanen. Alles andere kriegt man zügig hin, aber das nicht, braucht echt Zeit. Vielleicht geht es mit etwas vorbereiten & Glück auch in zwei Tagen, aber realistisch sind 3 bis 5 volle Werktage. Isländer mögen es zudem nicht, gedrängt zu werden.
- Vorausschauend planen und Geduld haben ist in Island am besten und schont auch die eigenen Nerven. Die Isländer sind super nett zueinander, mach es am besten auch so und push die Leute dort nicht.
Haha , ich kann mir genau vorstellen wie du da leise lächelnd immer weiter Druck aufbaust um das durchzuziehen. Ich wäre ausgerastet, das ist der Zeitpunkt wo meine Frau das Spiel übernimmt….